Rede von Stephan Oberli
Auszug aus der Rede von Stephan Oberli anl. 31. Mai 2015
Liebe Kunstfreundinnen, liebe Kunstfreunde
Liebe Circle-Mitglieder
... Erlaubt mir eine kurze Ausschweifung.
Trotz der vielen vernünftigen Erklärungen aus unserer Stammesgeschichte heraus bezüglich des menschlichen Verhaltens bleibt ein Rätsel: Warum begann der Mensch Kunst zu machen. Alles begann vor ca. 2,5 Millionen Jahren, einige von uns werden sich erinnern, beginnt der Homo zu ritzen, zu schnitzen, zu tanzen, zu dekorieren, zu malen. Er erfindet Werke der Kunst und wird zum Homo sapiens.
Nebst der biologischen Evolution war die kulturelle Entwicklung massgeblich daran beteiligt, dass wir den Schritt vom keulenschwingenden Höhlenbewohner zum pinselschwingenden Atelierbetreiber in vergleichsweise kurzer Zeit geschafft haben. Warum?
Das innere Bild und das erarbeitete und gelungene Werkstück oder eben Kunstwerk habe – so der Stand der Wissenschaft - im Gehirn Glückshormone freigesetzt, die wiederum die künstlerische Weiterentwicklung des Menschen gefördert habe. Gelungene künstlerische Aktivitäten enden im hirneigenen Belohnungssystem und vermitteln ein Gefühl der Befriedigung. Neurobiologen zweifeln nicht daran, dass Kunst Hirnarbeit ist und die Entwicklung des Homo sapiens zum Homo sapiens intellectus ermöglicht. Das ist ein schöner Gedanke und nun wissen wir auch, wem wir das zu verdanken haben.
Kunstformen finden sich in allen historischen Epochen und Kulturbereichen, was darauf hinweist, dass ein Kunstbedürfnis biologisch gegeben und nicht allein ein Ergebnis sozialer Prägung ist. Für die biologische Verankerung des Kunstbedürfnisses können mehrere Erklärungen angeboten werden. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Kunst resp. die künstlerische Tätigkeit ein gewichtiges Auswahlkriterium für die Partnerwahl war. Kunst macht sexy.
So also hat es sich zugetragen, und deshalb gibt es Kunstschaffende und Kulturtätige und Galeristinnen und BesucherInnen und dann gibt es diese grossartige Gattung des Homo sapiens circleensis, und das seid ihr, liebe Circlemitglieder.
Kunst isch gäng es Risiko wusste Mani Matter, und das gilt auch für Trudi. Die ursprüngliche Bedeutung von Profit ist Gewinn der Seele, und ja, da profitiert Trudi, aber Profit im ökonomischen Sinn – da zitiere ich gern die Beatles: with a little help from my friends.
Artis schafft Raum, heisst es stets. Es ist Trudi, die den Raum schafft. Sie ist Homo artis trudensis, wenn man so will, aber genug jetzt.
Und sie tut das mit einem ungeheuren, für viele nicht sichtbaren Engagement. Nicht sichtbar passt auch irgendwie. Sie mag nicht vor Leute stehen und reden, sie steht nicht gern zuvorderst, geschweige denn im Mittelpunkt, sie wäre wohl gern ab und an unsichtbar an einer gelungenen Vernissage und würde einfach geniessen und… profitieren.
Trudi schafft nicht Raum, ich denke, sie ist der Raum. Sie ist ihn in aller Bescheidenheit und Stille – das Gegenteil ist nicht Trudi. So ruhig und zurückhaltend sie gegen Aussen auftritt – mal schauen ob es heute anders ist – so heftig tobt und stürmt es in ihr, wenn es um genau das hier geht. Sie leidet, sie ringt, manchmal stürmt sie, nichts ist einfach so, alles ist ein schöpferischer Akt, von der Auswahl der KünstlerInnen, dem Gestalten der Einladung, vom Gniet mit der Presse, vom Organisieren, Terminieren, Koordinieren, alles hat Bedeutung und Gewicht. Und sie tut es der Kunst zuliebe, weil sie deren Bedeutung und Funktion erfasst hat – ich denke nicht bloss intellektuell sondern geradezu organisch. Er rumort in ihr und daraus schöpft sie wohl die Kraft und Energie, die es braucht, um im beschaulichen Büren an der Aare in einer Zeit der hundertfachen Möglichkeiten, das Leben freizeittechnisch amüsant und lifestylemässig zu gestalten, eine Nische, fast gar eine Oase, jedenfalls Raum zu ermöglichen, um uns schnellfüssigen und multihedonistischen Zeitgenossen die Auseinandersetzung mit etwas zu ermöglichen, das Zeit braucht, den Willen sich Einzulassen, mit etwas, das uns zurückwirft auf uns selber, wenn wir denn wollen, und ungeheuer mehr mit dem zu tun hat, von wo wir kommen und was wir sind, als man dies auch nur annähernd denkt an einem wusligen Vernissageabend. Man auch einfach nur Freude haben an dem was man sieht, weil wir wissen jetzt, eine spontane Glückshormonausschüttung ist gut für unsere Entwicklung. ...........